Von Heike Warlich-Zink
Mannheim.Menschen mit Mund-Nasen-Bedeckungen bestimmen gerade beim Einkaufen, in Bussen und Bahnen, Museen, Restaurants und Arztpraxen das Alltagsbild. Wer keine trägt, fällt auf und zieht den Unmut anderer auf sich. Doch nicht alle können und dürfen einen Mundschutz tragen. Sophia M. (Name von der Redaktion geändert) beispielsweise, die aufgrund einer Atemwegserkrankung unter ihrem Mundschutz kaum Luft bekäme und deshalb von der Tragepflicht befreit ist. Mehrfach hat die Mittvierzigerin es nun schon erlebt, dass man ihr deshalb Vorhaltungen macht oder sich Leute beim Verkaufspersonal beschweren.
In einem Fall wurde ihr der Zutritt mit Verweis auf das Hausrecht gänzlich untersagt. "Dabei wird der Ton zunehmend rauer", erzählt sie. Andreas Foitzik von der Landesarbeitsgemeinschaft Antidiskriminierungsberatung Baden-Württemberg bestätigt, dass sich in den landesweiten Beratungsstellen immer mehr Betroffene melden, denen trotz mitgeführtem ärztlichen Attest der Zugang zu Restaurants, Kaufhäusern oder Arztpraxen verwehrt wird, oder sie nach dem Betreten von anderen Kunden und Mitarbeitenden bloßgestellt oder gar beleidigt werden. Dabei sehen alle Bundesländer in ihren Corona-Verordnungen die Befreiung von der Maskenpflicht aus medizinischen oder anderen zwingenden Gründen ausdrücklich vor.
"Das scheint jedoch weder in der Bevölkerung, noch in Geschäften und Praxen, bei Arbeitgebern und Mitarbeitern ausreichend bekannt zu sein", stellt Tina Koch vom Antidiskriminierungsbüro Mannheim fest. Wird den Betroffenen trotz entsprechender Bescheinigung der Zutritt verwehrt, handelt es sich dabei um eine mittelbare Diskriminierung nach dem seit 2006 geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. "Demzufolge müssen Menschen, die von der Maskenpflicht befreit sind, wie alle anderen auch die Möglichkeit haben, am öffentlichen Leben teilzuhaben", betont Koch. Was aber tun, um in der Gesellschaft das notwendige Verständnis zu wecken?
"Es wäre hilfreich, wenn die Kammern und Verbände ihre Mitglieder entsprechend informieren würden und diese wiederum ihre Mitarbeiter entsprechend sensibilisieren" meint Foitzik. Sophia M. hält auch einen Aushang mit der Aufschrift "Mit Attest dürfen Sie auch ohne Maske rein" hilfreich. Nicht weil sie dies als Betroffene selbst nicht wüsste, sondern weil andere dadurch auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht würden. "Was allerdings gar nicht zu dulden ist: Dass auf einem solchen Attest, das öffentlich vorgezeigt werden muss, der Grund der Befreiung angegeben und die Diagnose damit für jeden nachlesbar ist", ergänzt er.
Betroffenen bieten die Beratungsstellen vertraulich und kostenfrei Hilfe und Unterstützung an. "Wir hören ihnen zu und erklären, dass sie nichts falsch gemacht haben, und überlegen, was wir tun können", berichtet Koch von ihrer Arbeit. Das könne ein Vermittlungsgespräch ebenso sein wie ein Beschwerdebrief und in der letzten Konsequenz auch eine Klage, da die Ungleichbehandlung gesetzeswidrig ist. Angebote, von denen Betroffene auch in allen anderen Fällen von Diskriminierung im Alltag Gebrauch machen können. Denn seit 2007 ist das Antidiskriminierungsbüro Mannheim die professionelle Anlaufstelle für alle Menschen, die aufgrund eines oder mehrerer Merkmale wie beispielsweise Hautfarbe, Nationalität, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, sozialer Status oder Bildungsstand Ausgrenzung, Benachteiligung und Ungleichbehandlung erfahren. Die Beratung ist anonym und kostenfrei.
Das Antidiskriminierungsbüro Mannheim ist ein eingetragener Verein und gehört zur Landesarbeitsgemeinschaft Antidiskriminierung, einem Zusammenschluss von Beratungsstellen, die vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg gefördert werden. Weitere Beratungsstellen gibt es in Esslingen, Friedrichshafen, Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen/Reutlingen. Online-Beratung wird im Internet unter www.adis-online.com angeboten.