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Zu viel Selbstverliebtheit macht Narzissten krank

| Lesedauer: 5 Minuten
mature man showing his muscles in bathroom mirror mature man showing his muscles in bathroom mirror
"Was bin ich für ein toller Typ", mag sich dieser Mann denken. Wie viel Selbstverliebtheit ist in Ordnung?
Quelle: pa / beyond / BreBa/beyond/BreBa
Einen Hang zum Narzissmus kennen viele – und er wird vielleicht durch unsere Gesellschaft gefördert. Doch Forscher warnen vor den körperlichen Folgen.

Die Welt ist voll von Leuten, die denken, sie wären was Besseres. Sich selbst überschätzende Kollegen bei der Arbeit, arrogante Lehrer oder egoistische Partner. Jeder kennt sie – und nennt sie häufig Narzissten. Sie sind auf sich selbst bezogen, sind arrogant und überheblich – und sie verhalten sich entsprechend.

Leute mit einer narzisstischen Veranlagung sind der Meinung, sie wären etwas Besonderes und einzigartig, ständig verlangen sie Bewunderung. Soziologen glauben sogar, eine Epidemie des Narzismuss in der Gesellschaft ausgemacht zu haben.

Doch Narzissmus ist nicht gleich Narzissmus. Es gibt die gesunde Form – und es gibt die pathologische, die Experten als narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) bezeichnen.

Gesunde Menschen mit narzisstischen Zügen haben nur eine Persönlichkeitsvariable, besitzen eine vielleicht etwas zu positive Selbstbewertung. Schlecht ist das nicht: Dem ärztlichen Direktor der Asklepios Klinik Nord in Ochsenzoll, Claas-Hinrich Lammers zufolge, sind gesunde Menschen mit narzisstischen Merkmalen psychisch stabiler. „Narzissmus im Sinne von Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit kann als Schutz gegenüber Widrigkeiten des Lebens dargestellt werden.“

Bei dem pathologischen Narzissmus sieht das anders aus. Dann leiden meistens nicht nur die Umwelt unter der Selbstüberschätzung, sondern auch die Betroffenen selbst.

Patienten mit einer NPS haben eigentlich eine Menge Scham- und Minderwertigkeitsgefühle, welche sie durch ein übersteigertes nach außen getragenes Selbstwertgefühl zu kompensieren versuchen. Diese übertriebenen Verhaltensweisen können Umwelt und einen selbst negativ beeinflussen.

Ursache unklar

Vor allem in sozialen Beziehungen scheinen solche krankhaften Narzissten Probleme zu haben. Da sie kaum Mitgefühl für andere fühlen, sind vor allem Partnerschaften für pathologische Narzissten gefährlich. Die Maske, mit der sie im Beruf noch Erfolg haben können, fällt im Privaten ab. Hier entwickeln sie häufig Minderwertigkeitsgefühle, Angst und fühlen sich hilflos. In ihrer Entwicklungsgeschichte wurde Nähe nicht trainiert.

Woher der krankhafte Narzissmuss kommt, wo seine Ursachen liegen, ist bislang nicht eindeutig geklärt. „Allgemein wird die Entwicklung der gesunden Persönlichkeit bzw. einer Persönlichkeitsstörung mit Wechselwirkungen aus vererbten Faktoren und frühkindlichen Erfahrungen erklärt“, sagt Lammers.

Eine genetische Komponente, aber auch Frustration oder Traumatisierung in der Kindheit spielen zudem eine Rolle: Bei mangelnder Anerkennung durch die Eltern versuchen Kinder sich durch besondere Leistungen und Aufmerksamkeit ganz bewusst ein grandioses Selbstwertgefühl aufzubauen.

Aber wenn Eltern ihr Kind zu sehr verwöhnen und übertrieben positiv bewerten, kann sich sein Selbstwertgefühl aufblähen. Eigenschaften wie Arroganz und Intoleranz werden verstärkt. Somit entwickeln die Betroffenen eine Egozentrik, und strahlen gleichzeitig emotionale Kälte und starke Rücksichtslosigkeit aus.

Der pathologische Narzissmus scheint vor allem bei Männern die körperliche Gesundheit negativ zu beeinflussen. Dies bestätigt eine Studie, die im amerikanischen Journal „Plos one“ veröffentlicht wurde. Sara Konrath, Psychologin der University of Michigan und Leiterin der Studie sagt: „Narzisstische Männer zahlen neben den psychischen Nebenwirkungen einen hohen Preis im Bezug auf ihre Gesundheit.“

Für die Studie untersuchten Konrath und ihre Kollegen David Reinhard der University of Virginia und William Lopez der University of Michigan die Rolle von Narzissmus und Geschlecht im Bezug auf Cortisol-Werte. Das Hormon Cortisol kann durch Speichelproben gemessen werden und ist ein guter Indikator für körperlichen Stress. 106 Freiwillige der Midwestern und Southwestern American University nahmen an der Studie teil.

Cortisol im Speichel

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostizierten die Forscher mithilfe des „Narcisstic Personality Inventory“-Tests. In einem Fragebogen werden fünf verschiedene Bestandteile der Persönlichkeit bewertet: Egoismus, Anspruchshaltung (Komponente des krankhaften Narzissmus), Autorität, Arroganz und Selbstverliebtheit.

Nicht alle diese Merkmale zeugen von krankhaftem Narzissmus, so ist etwa die Selbstverliebtheit eher beim gesunden Narzissmus angesiedelt. Unter anderem fragten die Forscher: „Wenn ich die Welt regieren könnte, wäre sie ein besserer Ort?“, oder: „Stehe ich gerne im Mittelpunkt?“

Zusätzlich zum Fragebogen wurde der Speichel der Probanden auf seine Cortisolkonzentration hin untersucht. Der Cortisolspiegel wurde zweimal gemessen, um einen sicheren Basiswert des Cortisols bei jedem Einzelnen festzustellen. Anhand der Cortisol-Werte konnten die Forscher bestimmen, wie gestresst der Einzelne normalerweise ist. Ist der Cortisolspiegel chronisch erhöht, so kann sich das negativ auf das Herz- und Kreislaufssystem auswirken.

Wissenschaftler David Reinhard sagt: „Trotz der grandiosen Selbstwahrnehmung von Narzissten sind sie oftmals selbstkritisch und tendieren zur Selbstverteidigung in Form von Aggressionen, wenn ihre Autorität bedroht wird. Diese Bewältigungsstrategien sind direkt mit Stress und mit Herz-Kreislaufstörungen verbunden.“ Reinhard zufolge ist somit die Form von negativem Narzissmus mit einer hohen Stressbelastung verbunden.

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Die Ergebnisse der Studie bestätigen zudem, dass die negativen Aspekte von Narzissmus bei Männern direkt mit einem hohen Cortisol-Spiegel verbunden sind. Bei Frauen konnte das nicht so deutlich nachgewiesen werden.

Beeinflusst Narzissmus Männer also anders als Frauen? Sara Konrath meint, der Stressfaktor bei narzisstisch veranlagten Männern könne durch den gesellschaftlichen Druck der Männer, Macht und Dominanz auszuüben, verstärkt sein. Doch obwohl viele Leute glauben, Männer seien narzisstischer als Frauen, gibt es noch keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege dafür.

Narzissmus ist eigentlich positiv

Wie viele Menschen krankhaft narzisstisch sind, ist schwer einzuschätzen. Auch wenn manche Soziologen von einer Narzissmus-Epidemie sprechen, gehen Psychologen davon aus, dass weniger als ein Prozent der Bevölkerung am NPS leiden.

Das Motiv der Selbstwerterhöhung ist aber bei den meisten Menschen bekannt. Nimmt der Narzissmus in unserer Gesellschaft also immer mehr zu? Oder sollte man sich vielmehr fragen, ob wir einfach immer selbstbewusster und eigenständiger werden?

„Selbstbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit und die Fähigkeit allein zurechtzukommen ist in der heutigen Welt einfach adaptiv“, sagt Claas-Hinrich Lammers. Selbstzufriedenheit sei ein zentraler Bestandteil der Lebenszufriedenheit und spiele dabei eine essenzielle Rolle für die psychische Gesundheit. Somit ist Narzissmus eigentlich was Positives. Man müsse nur aufpassen, dass er nicht in sein negatives Extrem umschlägt.

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