Kriegslüge: BND bezahlte irakischen Betrüger
Am 5. Februar 2003 warb der amerikanische Verteidigungsminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat für einen Militärschlag gegen den Irak. Begründung: Das Regime von Saddam Hussein sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen. Powell bezog sich in seiner Rede auf einen Informanten des deutschen Bundesnachrichtendienstes. Sein Name: Rafid al-J., Deckname "Curveball". Seit Jahren ist klar, die Amerikaner sind auch deswegen in den Krieg gezogen, weil "Curveball", der inzwischen Deutscher Staatsbürger ist, damals gelogen hat.
BND zahlt weiterhin "Gehalt"
Neu ist, dass der BND "Curveball" noch Jahre nach Aufdeckung seiner Lügen mit Geld und anderen Vergünstigungen versorgt hat. Höhepunkt der Unterstützung: Im Jahr 2008 erhielt Rafid al-J. mit BND-Unterstützung einen deutschen Pass. Außerdem zahlte der Bundesnachrichtendienst über eine Münchener Tarnfirma namens "Thiele und Friedrichs" bis Ende 2008 monatlich 3000 Euro an seinen früheren Informanten, getarnt als Gehalt. Eine tatsächliche Gegenleistung geht aus dem Arbeitsvertrag nicht hervor. Offenbar verpflichtete sich "Curveball" im Gegenzug gegenüber dem BND, nicht mit den Medien über seinen Fall zu sprechen.
Ende 2008 kündigte der BND den Arbeitsvertrag, der offenbar eine Laufzeit von mehr als zehn Jahren hatte. Daraufhin klagte "Curveball" sogar gegen seine Kündigung vor dem Münchener Arbeitsgericht und erstritt so eine Nachzahlung von knapp 2000 Euro. Seitdem bezieht er monatlich Sozialgeld in Höhe von 1590,82 Euro.
Ströbele: "Jetzt ist wirklich Feierabend"
Hans-Christian Ströbele
Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKG), ist empört über die staatliche Alimentierung des betrügerischen Informanten. "Wenn der BND Unterstützungszahlungen leistet, für Herrn Curveball, dann halte ich das überhaupt nicht mehr für vertretbar. Dafür sind die deutschen Steuergelder eigentlich nicht da. Das muss auch (...) parlamentarisch untersucht werden." Interessant ist auch, wie der BND seinem Ex-Informanten zur deutschen Staatsbürgerschaft verhalf. Demnach stellten zwei BND-Beamte "Curveball" als Einbürgerungsbewerber bei der Stadt Karlsruhe vor. Nach Recherchen von "Panorama" begleitete der Bundesnachrichtendienst das Verfahren bis zum Ende und half bei der Vorlage der erforderlichen Unterlagen. Hans-Christian Ströbele zweifelt an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens. "Wieso er die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen hat, das müsste auch geprüft werden (...). Spätestens von dem Zeitpunkt an, als der Bundesnachrichtendienst wusste aus den Meldungen der Amerikaner, dass die Meldungen von Curveball erfunden waren, spätestens da hätte man sagen müssen: jetzt ist wirklich Feierabend."
Pflüger fordert Veröffentlichung von Tonbändern
Friedbert Pflüger, CDU.
Neues Licht werfen die "Panorama"-Recherchen auch auf die Frage, inwiefern deutsche Entscheidungsträger die US-amerikanische Seite vor der möglichen Unzuverlässigkeit "Curveballs" gewarnt haben. Mit Blick auf die Rede von US-Außenministers Powell vor dem UN-Sicherheitsrat am 5.2.2003, in der er sich auf "Curveball" stützte, sagt der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger dem ARD-Magazin: "Zentrale Äußerungen Powells gehen auf Informationen unseres Bundesnachrichtendienstes zurück. Wir hörten vom BND in einer geheimen Unterrichtung, dass allerhöchstwahrscheinlich der Irak über Massenvernichtungswaffen wieder verfügt. Es wurden uns Charts gezeigt von Biowaffenlaboren."
Pflüger war vor dem Krieg Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, der mehrfach vom damaligen BND-Präsidenten August Hanning über "Curveballs" Informationen unterrichtet wurde. Friedbert Pflüger regt im "Panorama"-Interview an, die Geheimdienstpleite aufzuarbeiten und die geheimen Protokolle der Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses von 2002 und 2003 publik zu machen. "Die Tonbänder sind vorhanden. Ich fordere, dass wir zur Klärung der ganzen Debatte diese Dinge jetzt veröffentlichen." Der Bundesnachrichtendienst wollte sich nicht zu der peinlichen Angelegenheit äußern.